Wadi Bir Jari und die arabischen Dörfer entlang der syrischen Grenze

Nördlich des Sinjargebirges gibt es eine Reihe arabischer Dörfer, die dort zum Teil vom irakischen Staat in den 1970er Jahren gegründet wurden, um die demographische Zusammensetzung der Region zu Ungunsten der kurdischsprachigen YezidInnen zu verschieben. Diese Dörfer liegen direkt an der Grenze zu Syrien und sind deshalb gleichsam zwischen den yezidischen Gebieten und der Grenze eingezwängt.

Die traditionelle Lehmbauweise ist hier noch öfter zu sehen als in anderen, weniger isolierten Gegenden. Paradoxerweise betonen die Menschen im Irak immer wieder, wieviel besser die Lehmhäuser waren, wieviel besser sie gegen Kälte und vor allem gegen die Hitze des Sommers geschützt haben – die Temperaturen erreichen hier im Juli und August 50 Grad im Schatten. Trotzdem ist der gesellschaftliche Druck zu groß, als dass die Gelegenheit, ein Betonhaus zu bauen, nicht genutzt werden würde. Ein Haus aus Beton ist das grundlegende Zeichen für Fortschritt und Wohlstand.

Die Soldaten an der syrischen Grenze halten es für notwendig, uns in die arabischen Dörfer zu eskortieren. Auch hier gibt es überall schwere Schäden aus dem Krieg, die aber wohl nicht durch den “IS”, sondern durch kurdische Truppen bei der Rückeroberung verursacht wurden. Die arabischen Dörfer stehen unter dem Generalverdacht, sich den Jihadisten angeschlossen zu haben, obwohl mir einige Fälle bekannt sind, in denen Araber aus der Grenzregion den in die Berge geflüchteten YezidInnen Hilfe angeboten haben. Das traditionelle kriv-System ist hier noch lebendig – yezidische und muslimische Kinder bekommen einen Paten in der jeweils anderen Gemeinschaft und diese Verbindung erhält eine der Blutsverwandtschaft ähnliche Bedeutsamkeit.

Wir werden von den lokalen Vorstehern der Dörfer empfangen. Der Sheykh greift wohl nach dem Arm des Offiziers, um ihm die Ernsthaftigkeit einer Einladung zum Mittagessen auszudrücken. Höflichkeit kann hier durchaus Formen annehmen, die ein ungeschultes Auge an körperliche Gewalt erinnert.

Das Dorf trägt die architektonischen Spuren der von Saddam Husseins Vorgänger planmäßig angelegten Siedlungen. Hier finden sich oft die Ursprungsdörfer als Straßen oder Viertel wieder.